Zusammen tanzen, zusammen kämpfen

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Georgien zählt zu den homophobsten Ländern der Welt. Die Hauptstadt Tbilissi hat sich dennoch zu einem queeren Hotspot im Kaukasus entwickelt. Eine Reise zu den Kampfzonen eines gespaltenen Landes.

Es ist schon weit nach Mitternacht, als für Giorgi Rodionov (29) die Nacht erst beginnt. Fröstelnd steht er in der Schlange vor dem Techno-Club Bassiani im Norden Tbilissis. Um seinen zierlichen Körper schlabbert ein schwarz-weißer Adidas-Hoodie, die Augen sind mit schwarzem Eye-Liner umrandet, die Wimpern getuscht. Rodionov möchte die sogenannten Horoom Nights besuchen, eine monatlich stattfindende LGBT-Party (eine Abkürzung aus dem Englischen für „lesbisch, schwul, bisexuell und transgender“) im Bassiani, bei der sich die Szene aus der ganzen Stadt trifft.

Rodionov, homosexueller Künstler und Galerist aus Tbilissi, kramt nach seinem Smartphone. Wie alle hier musste er sich schon Tage im Voraus auf Facebook für die Party registrieren: Die Veranstalter durchleuchten vorab die Online-Profile aller Partybesucher auf homophobe Sprüche oder Mitgliedschaften in rechtsextremen Gruppen. Wer im Internet gegen Schwule und Lesben pöbelt, muss draußen bleiben. Nur wer LGBT-freundlich ist, bekommt ein Ticket.

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Giorgi Rodinov wird wegen seiner Homosexualität oft angefeindet. Foto: Anja Reiter

Rodionov darf durch, der Türsteher klebt vor dem Eintreten aber noch dessen Smartphone-Kamera ab, denn auch Fotos schießen ist in dieser Nacht verboten. So will der Techno-Club ein „Safe Space“ für die LGBT-Community bleiben – ohne gewaltbereite Eindringlinge, die Homosexuelle verprügeln, gegen ihren Willen outen oder bei ihren Familien oder Arbeitgebern anschwärzen. 

Tanzende Nonne, wippende US-Flagge

Wir passieren den Eingang – und werden sogleich vom Bauch des Baus geschluckt. Der Club, in dem bis zu 1.200 Personen feiern können, ist unter einem riesigen Sportstadion untergebracht; getanzt wird in einem stillgelegten Schwimmbecken. Die Bässe dröhnen in den Ohren, nur langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit. Rodionov begrüßt ein paar Bekannte, Küsschen links, Küsschen rechts, danach verschwindet er im Dunkeln. In einer Ecke knutschen zwei Männer, es riecht nach Marihuana. Am Rand des Schwimmbeckens tanzt eine Nonne, daneben wippt eine USA-Flagge im Rhythmus der dumpfen Beats. Die meisten hier sind verkleidet, die Party steht im Zeichen von Halloween. 

Im Vorraum des Clubs, wo die Bässe nur noch als dumpfer Hall zu hören sind, versammeln sich diejenigen, die sich bei einer Zigarette über das Leben und die Liebe austauschen wollen. Viele hier kommen fast jeden Monat zu den „Horoom Nights“. Als Homosexueller in Georgien habe man es schwer, sagt ein junger Mann in Frauenkleidung. „Besonders auf dem Land heißt es, solche wie ich seien böse, pädophil oder kriminell. Dabei bin ich ja nur ein netter Schwuler.“ Zwei Frauen sitzen neben ihm und halten Händchen. Auf der Straße würden sie sich nicht so offen als Paar zeigen, geben sie zu. „Nur hier können wir sein, wie wir wirklich sind.“  

Priester hetzen gegen LGBT-Community 

Homosexuelle haben im erzkonservativen Georgien kein leichtes Leben. Laut der internationalen NGO „World Value Survey“ rangiert Georgien auf Platz drei der homophobsten Länder der Welt; 93 Prozent der Georgier haben etwas dagegen, einen homosexuellen Nachbarn zu haben. Die orthodoxe Kirche genießt großen Einfluss auf Politik und Gesellschaft, fast 85 Prozent der Georgier gehören ihr an. Geistliche inszenieren sich im Fernsehen und auf Facebook als Hüter der nationalen Identität. In sozialen Medien hetzen ultra-orthodoxe Priester ihre Follower gegen sexuelle Minderheiten auf. Aber auch rechtsradikale und nationalistische Gruppen pöbeln im Netz und auf der Straße gegen die LGBT-Community. 

Auf dem Papier jedoch gilt Georgien als eines der fortschrittlichsten Länder aus dem ehemals sowjetischen Raum. Die ehemalige Sowjetrepublik ist seit 1991 unabhängig und hat Homosexualität im Jahr 2000 entkriminalisiert. Seit 2006 gibt es gesetzliche Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt, seit 2014 gelten die Anti-Diskriminierungsgesetze für alle Bereiche. Kritiker bemängeln jedoch, dass es in der Praxis eine hohe Anzahl an homo- und transphoben Gewalttaten gibt, die von den Behörden nicht verfolgt werden. „Wir haben die Gesetze, doch homophoben Taten folgen selten Strafen“, sagt der Künstler Rodionov. 

Dann zählt er eine ganze Liste an Ereignissen auf, die das wahre Gesicht seiner Heimat zeigen sollen: 2013 ging bei der ersten georgischen „Pride Parade“, ein bunter Festzug der LGBT-Szene, ein wütender Mob aus Priestern und Nationalisten brutal gegen einen Bus mit friedlichen Aktivisten vor. Die für Mai 2019 geplante Pride Parade wurde von den Veranstaltern aus Sicherheitsgründen abgesagt; rechtsextreme Gruppen hatten gewarnt, erneut gegen die LGBT-Aktivisten zu pöbeln. Im November 2019 blockierten Rechtsextreme und Priester Kinos in Tbilissi, in denen die Premiere des Films „And then we danced stattfinden sollten“, die Geschichte über die Liebe zweier schwuler Tänzer in Georgien. Der Film sei eine Provokation, hieß es von Nationalisten.

Die Polizei tut nichts

Georgien scheint daher ein Land mit zwei Gesichtern: Wie passen die neugewonnen Weltoffenheit nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ mit den erzkonservativen Werten der georgischen Landsleute zusammen?

Die Suche nach Antworten führt mich zu der Organisation „Equality Movement“, die sich für die Rechte von Trans- und Homosexuellen einsetzt. Fast schon versteckt liegt deren Büro in der Altstadt von Tbilissi. Mehrmals schon habe man den Büroplatz wechseln müssen, weil LGBT-Feinde die Arbeit bedroht hätten, erzählt Aktivist und Mitarbeiter Mikheil Meparishvili. „Die Polizei hat nie etwas gegen die Angriffe unternommen.“ Nach vielen Umzügen sei man nun hier gelandet, in dieser Sackgasse.

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Die Altstadt von Tbilissi. Foto: Anja Reiter

Meparishvili, 31 Jahre alt, weiß, wovon er spricht: Auch er ist homosexuell, auch er hat Zurückweisung erfahren. Seine Familie weiß über seine Sexualität Bescheid, doch seine Mutter möchte seinen Freund nicht kennenlernen. Meparishvili zuckt mit den Achseln. Als Lehrerin sei sie eben einem besonderen Druck ausgesetzt: „Ein schwuler Sohn ist problematisch, wenn man in Georgien im Bildungswesen arbeitet.“ Kollegen und Eltern würden negative Einflüsse auf die Schüler befürchten. Zu Hause versucht er das Thema zu vermeiden, und seinen Freund weitestgehend zu verschweigen.

Nachbarn werfen Müll herüber

Dann führt er durch die Räumlichkeiten: ein Vorzimmer mit kostenlosen Verhütungsmitteln, ein kleiner Hintergarten mit Tischtennisplatte. „Seitdem die Nachbarn wissen, wofür wir uns engagieren, werfen sie ihren Müll zu uns hinüber“, sagt er. Im ersten Stock: eine Arztpraxis, ein Anwaltsbüro, ein Raum für eine Sozialarbeiterin. „Equality Movement“ versucht in allen Lebenslagen zu unterstützen. Juristen beraten bei Diskriminierung im Job oder kämpfen mit Transsexuellen für die Anpassung ihres Geschlechts in offiziellen Dokumenten. Ärzte bieten kostenlose HIV-Tests an, Sozialarbeiter vermitteln bei Familienfehden.

Noch liege ein weiter Weg vor Georgien, sagt Meparishvili, nicht alle Betroffenen seien so geduldig und pragmatisch wie er. Er erzählt von homo- und transsexuellen Bekannten, denen die Situation in ihrer Heimat über den Kopf wuchs. Sie gingen mit einem Touristen-Visum nach Berlin, New York oder Brüssel oder suchten um Asyl an, um vor den Problemen in der Heimat zu flüchten und sich in einem toleranteren Land ein neues Leben aufzubauen. Für Meparishvili wäre das nichts: „Hier ist meine Heimat, hier habe ich einen Job, hier möchte ich etwas verändern.“

Verteidigung der Tradition mit Worten und Fäusten

Fünf Taximinuten von der NGO entfernt, in einem Café neben dem staatlichen Opernhaus, treffe ich einen der Antipoden des neuen Liberalismus: Ermile Nemsadze, 33 Jahre alt und grimmiger Blick. Er ist Mitglied von „Georgian March“, einer ultra-nationalistischen Gruppierung, die im Sommer 2017 gegründet wurde. Als Antwort auf die „ultra-linke“ Entwicklung des Landes, wie Nemsadze erklärt. Er und seine Kameraden, vor allem junge georgische Männer, wollen die georgische Tradition und Identität verteidigen – mit Worten und Fäusten. 

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Ermile Nemsadze findet Homosexualität nicht gut. Foto: Anja Reiter

Nemsadzes Profilbild auf Facebook zeigt ihn mit Sturmgewehr im militärischen Tarnanzug. Er habe im Irak und gegen Russland gekämpft, sagt er, aktuell sei er arbeitslos. Weil er kein Englisch spricht, hat er zum Interview eine Freundin mitgebracht. Die junge Frau, adrett gekleidet und freundlich lächelnd, übersetzt die aufgebrachten georgischen Antworten ihres Freundes. Homosexualität sei nicht angeboren, sondern anerzogen, wiederholt sie; Nemsadze sei daher auch nicht gegen Homosexualität an sich. „Ich bin nur gegen die Propaganda der Homosexualität.“

Die Vorstellung, Homosexualität sei eine ansteckende Viruserkrankung, hört man oft in Georgien. Es heißt, es seien vor allem Ausländer aus dem Westen oder pro-westliche Gruppen, die die vermeintlich schädliche Propaganda über die gleichgeschlechtliche Liebe in Georgien verbreiten würden. Laut einer Umfrage der „Women’s Initiative Supporting Group“ stimmt mehr als jeder zweite Georgier der Aussage zu, dass Homosexuelle ihre sexuelle Orientierung allein aufgrund des Einflusses aus dem Westen geändert hätten.

Gayropa, Fake News und Troll-Fabriken

Die Männer von „Georgian March“ wollen das nicht dulden. Sie kämpfen gegen Migration, Homosexuelle und die Annäherung Georgiens an den Westen. Sie tun das auf wechselnden Kanälen – und bilden dafür wechselnde Allianzen: Auf Facebook posieren sie mit dem Patriarchen der Georgischen Orthodoxen Kirche, Ilia II., und mit ihren stolzen Müttern. Auf Demonstrationen zünden sie Regenbogen-Flaggen an und marschieren mit geschulterten Kreuzen gegen die LGBT-Aktivisten. Im Netz und auf der Straße gewinnen sie immer mehr junge Leute für ihre Sache.

Vom Westen, oder „Gayropa“, wie Europa in diesen Kreisen genannt wird, hat Nemasadze kein gutes Bild, er spricht von Chaos und Werteverfall. Selbst war er noch nie in einem westeuropäischen Land. Seine Informationen bezieht er hauptsächlich aus dem Fernsehen und von Facebook – so wie die meisten Georgier, wie aktuelle Mediennutzungs-Umfragen zeigen. Doch auf vielen georgischen Kanälen geben Fake News und Troll-Fabriken den Ton an. Ihr Zweck: den Westen zu dämonisieren und den Liberalismus als Quelle für Chaos und Untergang darzustellen.

Anti- und pro-westliche Propaganda

„Anti-westliche Propaganda ist eine riesige Bedrohung für Georgien“, sagt Tamar Kintsurashvili, Geschäftsführerin der „Media Development Foundation“ in Tbilissi. Ihre Stiftung versucht den Verschwörungstheorien ein Gegengewicht zu setzen. In mühseliger und kleinteiliger Recherchearbeit gehen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem kleinen Büro in der Vorstadt von Tbilissi den Ursprüngen der Fake News auf den Grund. Sie recherchieren, wann ein Bild zuerst veröffentlicht worden ist oder was dessen Metadaten über die Geolokation aussagen. Auf der Website „Myth Detector“ widerlegen sie sodann die populärsten Hirngespinste georgischer Websites.

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Tamar Kintsurashvili will anti-westliche Fake News entlarven. Foto: Anja Reiter

Umstimmen dürfte das die Nationalisten dennoch nicht: Die Stiftung wird von der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit finanziert und gilt ihnen damit als Teil der pro-westlichen Propaganda-Maschine.

Die Schlagzeilen, gegen die Kintsurashvilis Mitarbeiterinnen ankämpfen, richten sich oft gezielt gegen die LGBT-Community: In Griechenland hätten LGBT-Aktivisten randaliert und eine Kirche zerstört. In den Niederlanden würden Kinder homophober Eltern mit Bussen abgeholt und in Erziehungscamps gesteckt. Ausgemachter Blödsinn, auf Facebook jedoch tausendfach gelesen und geteilt.

Das Entschlüsseln von Fake-News sei ein ständiger Wettlauf gegen die Zeit, sagt Kintsurashvili. Häufig würden sich spektakuläre Falsch-Meldungen viral verbreiten, bevor alle Lügen widerlegt worden sind. Ist die Meldung schon tausendfach geteilt worden, ist nur noch Schadensbegrenzung möglich. Um Georgier für das Thema zu sensibilisieren, veranstaltet die „Media Development Foundation“ daher auch regelmäßige Workshops für Schüler und ihre Lehrer.

Zwischen Russland und USA

Wer sich die abstrusen Anekdoten ausgedacht hat, bleibt oft unklar. In dem oligarchischen und unterfinanzierten Mediensystem könnten einzelne Verleger die Themensetzung gezielt beeinflussen, häufig fehlt Transparenz darüber, wer ein Medienhaus besitzt. Und: Oft gelangen die erfundenen Nachrichten auch von russischen Nachrichtenportalen wie Russia Today oder Sputnik-Georgia.ru in georgische TV-Kanäle oder auf georgische Nachrichtenseiten, beobachtet Kintsurashvili. Einige Experten sprechen dabei sogar von „hybrider Kriegsführung“, mit der Russland seinen Einfluss in Georgien aufrechterhalten wolle.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion waren die ersten Schritte Georgiens in die Unabhängigkeit im Land von viel Euphorie begleitet worden. Doch schnell bemerkten die Georgier, dass das sowjetisches Erbe sie nachhaltig verfolgte – durch wirtschaftliche, kulturelle und politische Verstrickungen. Die russisch-georgischen Beziehungen sind seither durch viele Aufs und Abs gekennzeichnet. Russlands autokratischer Präsident Wladimir Putin fürchtet den Einfluss der USA im eigenen „Hinterhof“, vor allem seit in Georgien mit der sogenannten Rosenrevolution 2003 eine pro-westliche Regierung an die Macht kam. Die Beziehungen eskalierten während des Kaukasuskriegs 2008, als russische Truppen auf georgischem Territorium einmarschierten. Die abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien kontrollieren die Russen heute immer noch militärisch. Viele Georgier haben das dem großen Nachbarn nicht verziehen. 

Georgien muss nun einen Mittelweg zwischen Russland und dem Westen finden – bislang mäßig erfolgreich. Regierungspolitiker unterzeichneten Assoziierungsabkommen mit der EU und der Nato, zugleich sind viele Parteien und Wirtschaftstreibende aber vom Wohlwollen aus Moskau abhängig. Damit Georgien der russischen Einflusssphäre nicht entschwindet, setzt Russland auf Destabilisierung und Polarisierung der georgischen Gesellschaft – mit Panzern, Geld und Fake News. Putins Nachricht lautet: Wir haben euch vielleicht mit Panzern attackiert, aber der Westen will eure Seele zerstören.

„Es fehlt der politische Wille“

Ein symbolischer Schauplatz für diese Grabenkämpfe zwischen Nationalisten und Liberalen, westlichen und russischen Werten, ist der Platz vor dem Parlamentsgebäude in Tbilissi, ein mächtiger Bau am Rustaweli-Boulevard. Hier finden Demos und Gegendemos statt, hier wird protestiert, gefeiert und marschiert. Im Gebäude empfängt die Parlamentarierin Nino Goguadze von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, eine energisch-bestimmte Frau. Westlichen Journalisten gegenüber äußert sie sich pro-europäisch: die Lage für sexuelle Minderheiten habe sich seit 2013 drastisch verbessert, betont sie. Dann zählt sie routiniert die vielen liberalen Gesetzesinitiativen ihrer Partei auf. Allerdings reagiert sie ausweichend auf die Frage, warum ihre Regierung LGBT-Demonstrierende nicht vor gewaltbereiten Gegendemonstranten schützen kann.

Das seien nur Lippenbekenntnisse, meint der Oppositionspolitiker Giga Bokeria im Büro nebenan. Die Regierung setze auf Worte, aber nicht auf Taten. Einhaltung der Diskriminierungsgesetze? Verfolgung von LGBT-feindlichen Straftätern? Mehr Transparenz bei den Besitzstrukturen von Medienunternehmen? „Es fehlt der politische Wille“, sagt Bokeria. Er glaubt, dass es den Regierungspolitikern vor allem um bloßen Machterhalt gehe. Durch wechselnde Allianzen versuche man sich alle relevanten Wählerschichten offen zu halten. Im Herbst 2020 wird ein neues Parlament gewählt. Bokerias größte Sorge ist, dass sich die Gesellschaft bis dahin weiter polarisieren könnte. „Hoffentlich bleiben wir von brutalen Ausschreitungen verschont.“

Zurück im Techno-Club Bassiani, es ist 4 Uhr, der Höhepunkt der Nacht: Ein singender Satan windet sich zu seinem eigenen Gesang, siamesische Zwillinge und Drag-Queens räkeln sich zu Popmusik und zeigen viel Haut. Das Schwimmbecken tobt. Die Partynacht wird hier erst am frühen Vormittag zu Ende gehen. Draußen, vor den Toren des Clubs, wird schon der Markt aufgebaut. Alte Mütterchen zerren Hühnerbeine vor ihre Stände, von den Dächern baumeln Tschurtschchela, Walnussstangen mit Traubensaft überzogen. Eine Katze schleicht um die Beine eines bärtigen Priesters. 

Bald werden Künstler Giorgi Rodionov und die anderen aus dem Club taumeln. Sie werden den Traum der Nacht verlassen, sich die Augen in der Vormittagssonne reiben und zurückkehren in den Alltag ihrer Heimat. Der Slogan des Bassiani wird sie bis zur nächsten Party begleiten: „We dance together, we fight together.“

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Titelfoto (Symbolbild „Techno-Club“): Antoine Julien / antoine-julien.franceserv.com / unsplash.com

Transparenz-Hinweis:

Die Recherche-Reise nach Tbilissi wurde von der „Deutschen Gesellschaft e.V.“ und von der US-finanzierten Stiftung „Media Development Foundation“ organisiert sowie vom deutschen Auswärtigen Amt gefördert.

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