Flüchtlinge in Thailand

Wir sind Rohingya

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Drei bis vier Millionen Rohingya leben staatenlos im Exil. In ihrer Heimat Myanmar wird die muslimische Minderheit verfolgt. Allein seit 2012 starben Hunderte, Tausende flohen. U Kyaw Thien und seiner Frau gelang die Flucht nach Thailand – aber sie mussten mehr zurücklassen als ihr Hab und Gut.

Für uns gibt es keinen Platz. Nirgendwo.“ U Kyaw Thien senkt den Kopf und schüttet ein wenig Butter, Mehl und Wasser in eine blaue Schüssel.

In einer ruhigen Seitenstraße in Bangkok leben er und seine Frau Alima in einem kleinen Zimmer. Sie wohnen dort zur Untermiete in einem einstöckigen Haus. In der von Hochhäusern geprägten, pulsierenden Metropole fallen sie nicht auf. Thailands Hauptstadt hat mehr als 14 Millionen Einwohner, niemand fragt hier, woher sie kommen. Zur Mittagszeit brennt die Sonne auf die Stadt. Trotzdem müssen U Kyaw Thien und Alima in ihrem Zimmer das Neonlicht anschalten. Der Fensterspalt ist zu schmal, um genügend Licht hereinzulassen.

U Kyaw Thien ist ein ruhiger Mann Anfang fünfzig mit sanfter Stimme. Einen Longy, den traditionellen burmesischen Rock, den auch Männer tragen, hat er um seine Hüfte gebunden. Alima sitzt nicht weit von ihm auf dem Teppich. Regungslos starrt sie auf einen Stapel Fotos. Auf den Bildern ist ihre Tochter zu sehen.

Sie haben Küchenutensilien und ein paar Hängeschränke in dem kleinen Zimmer arrangiert. Decke und Kissen, auf denen sie schlafen, werden tagsüber an die Seite gelegt, Hemden und Gebetsteppiche hängen an der Wand. Der Gaskocher steht vor der Tür. Im Hintergrund flimmert ein Fernseher ohne Ton. Koffer stapeln sich in einer Ecke. Es sieht so aus, als sei hier jemand gerade erst eingezogen. U Kyaw Thien wohnt aber schon seit 17 Jahren hier. Alima ist 2012 zu ihm gekommen. Aus ihrem Heimatland Myanmar mussten sie beide fliehen; ihre Tochter konnten sie nicht mitnehmen.

U Kyaw Thien floh in den 90er aus Myanmar nach Thailand. Im ehemaligen Burma hätten ihn die Sicherheitsbehörden sonst eingesperrt.
Alima heiratete U Kyaw Thien Mitte der 90er. Wenige Jahre später musste ihr Mann aus dem Land fliehen.
Gemeinsam kochen Alima und U Kyaw Thien Reis.
In einem kleinen Zimmer in Bangkok leben Alima und U Kyaw Thien.
Ausweise und die 'Weiße Karte' von U Kyaw Thien.
Abends verkauft UKyaw Thien am Straßenrand Roti-Brot.
Mit dem Verkauf von Roti-Brot an Thailänder kann sich das Paar ein bescheidenes Leben finanzieren.

Illegale Einwanderer aus Bangladesch

U Kyaw Thien und Alima wurden in einem kleinen Dorf in einer westlichen Provinz geboren, die zu dieser Zeit noch Arakan hieß. Ihre Eltern gehörten einer muslimischen Volksgruppe an, die eine eigene Sprache und Kultur pflegen – den Rohingya.

Die Herkunft der Rohingya ist stark umstritten. Während sie sich selbst als ursprüngliche Bewohner dieser Region betrachten, sehen viele Burmesen in ihnen illegale Einwanderer aus Bangladesch. Von ihnen werden sie nicht als Rohingya, sondern als „Bengalen“ bezeichnet.

Die Länder im Osten des Golfs von Bengalen wurde schon seit der Antike von arabischen Händlern besucht. Es gibt Hinweise, dass sich Rohingya bereits im 8. und 9. Jahrhundert in der buddhistisch geprägten Region niedergelassen haben könnten. Während der britischen Kolonialzeit (1823 bis 1948) wurde die Besiedlung durch Arbeiter aus dem heutigen Indien und Bangladesch intensiviert.

Als Birma sich 1948 die Unabhängigkeit von den Briten erkämpfte, wurden mehr als 130 ethnische Volksgruppen Teil des Unionsstaates Birma. Die Rohingya wurden dabei nicht als eine der offiziellen Volksgruppen des Landes anerkannt- sie sollten nicht zu dem neuen Staat gehören. Nach wenigen Jahren übernahm das Militär die Macht.

Mit der Unabhängigkeit kamen die Repressionen

Schon seit 1948 litten die Rohingya unter vielfältigen und grausamen Repressionen. Heiligtümer, Infrastruktur und Siedlungsgebiete wurden zerstört, privater Boden konfisziert. Durch auferlegte Reisebeschränkungen und Sprachbarrieren wurde der muslimischen Volksgruppe der Zugang zu Schulen und Krankenhäusern erschwert. Nicht ungewöhnlich waren illegale Inhaftierungen, illegale Besteuerung, Zwangsarbeit; viele wurden gefoltert, manche getötet. Zum ersten großen Exodus kam es während einer brutalen Militäroperation im Jahr 1978, rund 200.000 Rohingya flohen damals in das benachbarte Bangladesch.

Solange U Kyaw Thien denken kann, gab es die Diktatur. Er war drei Jahre alt, als sich das Militär 1962 an die Macht putschte, Diskriminierungen gehörten zu seinem Alltag. 1979 – ein Jahr nach der großen Militäroperation, bei der er Freunde verloren hatte – verließ U Kyaw Thien sein Dorf in Arakan. Er war begeistert, als er in die damalige Hauptstadt Rangun kam. „Ich war noch sehr jung und fühlte mich zum ersten Mal frei“, erinnert er sich. Das Militär rekrutierte gerade, auch Rohingya. „Ich habe mich sofort beworben. Lieber wollte ich mich mit dem Feind verbündete, als gegen ihn zu kämpfen.“

Damals war U Kyaw Thien 20 Jahre alt. Die folgenden 13 Jahre kämpfte er auf der Seite des brutalen Regimes. In einem Gefecht gegen die Kachin, eine andere ethnische Volksgruppe, wurde er angeschossen. Mit 33 Jahren und dem Status als Kriegsveteran kehrte er zurück in sein Dorf. Arakan hieß mittlerweile Rakhaing, Rangun hieß Yangon und Birma hieß Myanmar. Das Militär hatte dem Land, den Provinzen und den Städten neue Namen verliehen.

Die ‚Weiße Karte‘

U Kyaw Thien knetet die Masse in der blauen Schüssel zu einem Teig. Bis zum Abend soll der Teig fertig werden. Er wird dann an der Straße stehen und Roti-Brot an Thailänder verkaufen. Mit dem Geld kann er sich und Alima ein bescheidenes Leben finanzieren.

Der Teig muss noch etwas stehen. Er wäscht sich die Hände. Dann kramt er Dokumente aus einem der Hängeschränke hervor. Er zieht einen weißen, laminierten Ausweis heraus. Ein junger Mann schaut ernst von dem Foto des Dokuments.

„Das ist meine `Weiße Karte`“, erklärt er, mit den Finger auf die Karte deutend. Auf der „National Temporary Registration Card“, der so genannten Weißen Karte /White Card, ist vermerkt: „Der Inhaber ist kein Staatsbürger von Myanmar.“ Ein Geburtsort ist nicht angegeben.

U Kyaw Thien greift eine andere Weiße Kart heraus, auf der eine junge Frau abgebildet ist. „Das ist Alima“, erklärt er und beginnt zu erzählen: „Ich habe Alima zum ersten Mal gesehen, nachdem ich 1992 in mein Dorf zurück gekehrt war. Ich half im Laden meines Vaters aus. Sie arbeitete gegenüber in dem Geschäft ihrer Eltern.“ Bald verliebten sie sich. Alima war erst 17 Jahre alt. Deshalb mussten sie noch ein Jahr warten, bis sie heiraten konnten. „Es war eine glückliche Zeit“, schwärmt er. Alima lächelt verlegen. Er besaß noch eine Kriegsveteranenkarte aus seiner Zeit beim Militär, mit der er einen besonderen Status genoss.

Nach drei Jahren änderte sich die Lage. Auf Drängen der Vereinten Nationen hin sollten auch für Rohingya Ausweise vergeben werden. Ohne Dokumente besaßen sie keine Rechte und keinen Anspruch auf Schutzmaßnahmen. Durch die vielen Rohingya-Flüchtlinge, die mangels Pässen oft keinen Immigrantenstatus erhielten, weitete sich das Problem auch auf die umliegenden Länder aus.

Flucht ins Ausland

Das Militärregime entwarf für Rohingya die `Weiße Karte`. Diese Karten erhielten freilich nur wenige: Das Ganze war eine Alibi-Handlung, um dem internationalen Druck nachzugeben; um Bereitschaft vorzutäuschen, die Rohingya endlich zu »legalisieren«. Manche mussten dazu gezwungen werden, diese Papiere anzunehmen. Sie wollten das Dokument nicht, das sie zwar ausweist, zugleich aber deutlich macht, dass sie keine Staatsbürger von Myanmar sind.

Im Rahmen dieser Erneuerungen verlor U Kyaw Thien 1996 seinen Kriegsveteranenstatus. Sein Dokument wurde durch eine Weiße Karte ersetzt. „Sie nahmen mir alle meine Rechte“, erinnert er sich. Verzweifelt fuhr er nach Yangon, in die Stadt, in der er sich einst so frei gefühlt hat. Ohne sich an die nun auch für ihn gültigen Vorschriften zu halten. Denn Rohingya, die sich von einen Ort in einen anderen Ort bewegen wollen, müssen zuvor eine kostenpflichtige Genehmigung beantragen. Erst dann dürfen sie ihren Aufenthaltsort verlassen.

U Kyaw Thien hatte keine Genehmigung beantragt. In Yangon erreichte ihn eine erschreckende Nachricht: Er stand auf der schwarzen Liste. Grund war das fehlende Reisedokument. Besitzen Rohingya diese Genehmigung nicht oder überschreiten sie die darin ausgewiesene Route, dürfen sie nicht mehr zurückkehren. Sie sind dann verpflichtet, Myanmar zu verlassen; ansonsten werden sie inhaftiert.

Mit Hilfe eines Schleppers versteckte sich U Kyaw Thien in einem Lastwagen und floh 1996 über die Landgrenze nach Mae Sot in Thailand. Alima, die im Dorf geblieben war, machte sich große Sorgen. Das Letzte, was sie von ihrem Mann gehört hatte, war, dass das Militär nach ihm suchte. Mit finanzieller Unterstützung durch andere geflohene Rohingya gelangte U Kyaw Thien bis nach Bangkok. Dort angekommen, hatte er zum ersten Mal seit seiner Flucht die Möglichkeit, seine Frau zu kontaktieren. Und erfuhr: Alima ist schwanger.

Kontakt halten, war nicht einfach

U Kyaw Thien greift nach einen Stapel Fotos, der vor Alima liegt. „Das ist Suemaya, unsere Tochter“, erklärt er und betrachtet versonnen die Bilder. Auf einem der Fotos sieht man ein kleines Mädchen von drei Jahren. Auf einem anderen trägt das Mädchen eine Schuluniform. Eine weitere Aufnahme zeigt sie neben ihrer Mutter. „Gesehen habe ich sie nie“, sagt U Kyaw Thien ganz leise. Auf einem Bild sieht man U Kyaw Thien, Alima und Suemaya dennoch zusammen. „Da wurde ich mit dem Computer eingesetzt“, lacht er etwas verlegen und fährt etwas ernster fort: „Das ist das einzige Familienfoto, das es von uns gibt.“

Den Kontakt zu halten, war nicht einfach. „Wir haben uns Briefe geschrieben und Fotos geschickt“, erinnert sich Alima. „Telefonieren war schwierig. Ich musste zwei Stunden von meinem Dorf in die nächste Stadt laufen, wenn ich mit U Kyaw Thien telefonieren wollte.“ Aufgrund der Reisebeschränkungen musste auch Alima jedes Mal eine Reisegenehmigungen beantragen. „Manchmal hatte ich nicht genug Geld, aber manchmal konnte ich auch Suemaya mit zum Telefonieren in die Stadt nehmen“, sagt sie, während sie die Bilder betrachtet. „Das waren schöne Momente, wenn ich meine Tochter mit ihrem Vater sprechen hörte.“

Später, im Rahmen der ersten Reformen, wurde die Kommunikation etwas einfacher. Eine der Reformen erlaubte zum Beispiel Mobiltelefone.

Myanmar erlebte Anfang des Jahrtausends unruhige Zeiten. Die so genannte Safran-Revolution, die 2007 von Mönchen angeführt wurde, richtete sich zunächst gegen den 500-prozentigen Anstieg der Preise von Benzin und Gas und weitete sich dann zu Protesten gegen das Regime insgesamt aus. Die Demonstrationen, an denen sich mehr als 100.000 Menschen beteiligten, wurden blutig niedergeschlagen; inoffizielle Beobachter sprechen von über 200 Toten. Im Gegensatz zu der großen Revolution von 1988 in Myanmar, die ebenfalls blutig niedergeschlagen wurde, blieben die Ereignisse dieses Mal nicht unbeobachtet. Obwohl die Junta die Internetverbindung unterbrach, gelangten Bilder und Videos in die internationalen Medien.

Internationale Sanktionen beenden Militärdiktatur

Der internationale Druck wuchs. Die Junta wusste, sie würde den internationalen Sanktionen nicht länger standhalten können. 2010 fanden dann die ersten Wahlen seit 40 Jahren in Myanmar statt. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wurde aus dem Hausarrest entlassen. Für Rohingya wurden als Zeichen des guten Willens weitere Weiße Karten verteilt. An den Wahlen teilnehmen durften sie aber nicht.

Die weder frei noch fair gehaltenen Wahlen wurden schon kurze Zeit später für ungültig erklärt und 2012 wiederholt. Seitdem wurden schrittweise Reformen eingeleitet, und Aung San Suu Kyis Partei, die »Nationale Liga für Demokratie« (NLD), erhielt erstmals, als einzige Oppositionspartei, Sitze im Parlament.

Die Rohingya hofften, dass nun auch für sie positive Änderungen stattfinden. Für sie ist Aung San Suu Kyi, ebenso wie für die Burmesen, ein Symbol für Menschenrechte und demokratische Freiheit. Doch für Rohingya veränderte sich nichts zum Besseren, ganz im Gegenteil.

Im April 2012 wurde im Rakhaing-Staat – dem ehemaligen Arakan – ein buddhistisches Mädchen tot aufgefunden. Drei muslimische Männer wurden angeklagt. Ein Rachefeldzug begann, der den Anfang einer Reihe von blutigen Zusammenstößen zwischen Muslimen und Buddhisten in der Provinz markierte. Über 200 Menschen starben auf beiden Seiten, Häuser wurden niedergebrannt und heilige Stätten zerstört. Von den 800.000 in Myanmar lebenden Rohingya wurden rund 110.000 innerhalb des Landes vertrieben. Andere flohen in die umliegenden Länder. In vielen Städten leben sie in Ghetto-ähnlichen Bezirken, ohne Zugriff auf Lebensmittel. Die Vorschriften gegen sie wurden stark verschärft.

»Bewegung 969«

Seit dem Vorfall verzeichnen nationalistische Gruppen großen Zulauf, insbesondere die »Bewegung 969«. Der Name der Gruppe ist eine Art buddhistischer Variante einer Verschwörungstheorie: In einem Land, in dem der Glaube an die Macht der Zahlen stark verankert ist, soll die Zahl 969 den kosmologischen Gegensatz zu der -spirituell aufgeladenen Zahl – 786 aus dem Koran bilden. 969 bezieht sich auf die neun Attribute des Buddhas, die sechs Attribute seiner Lehren und die neun Attribute des Sangha, der Mönchsregeln. Dementsprechend sieht die „Bewegung 969“ sich verantwortlich für den Erhalt des buddhistischen Myanmar. Ihr Kopf ist Wirathu, ein buddhistischer Mönch.

Im April 2013 wurde in einem Kloster im Süden des Landes ein 969-Logo entworfen und überall verteilt. Die Bewegung ergriff das ganze Land und richtete sich nun gegen alle Muslime. 969-Aufkleber schmückten Geschäfte, Taxis, sogar die Polizeiwagen. Sie markieren die buddhistische Zugehörigkeit und besagen, dass Muslime hier unerwünscht sind.

Viele Burmesen sagen, dass sie Angst haben, ihre buddhistische Identität zu verlieren. Bestärkt durch lokale Medien, glauben sie, dass täglich Rohingya über die Grenze aus dem benachbarten Bangladesch ins Land kommen würden. Vorurteile besagen, dass muslimische Männer viele Frauen haben, die viele Kinder bekommen – zu viele.

Über Generationen weitergegebene Vorurteile lassen sich nicht so einfach beseitigen. Eine Strategie der Militärjunta war es, Unruhe zu stiften, um dann wieder Ordnung zu schaffen. Eine inszenierter Beweis, dass das Militär notwendig ist. Es gibt Vermutungen, dass auch die jetzigen Unruhen strategisch-politisch motiviert sind. Die nächsten Wahlen stehen 2015 an.

Zwei-Kind-Politik für Rohingya

Auch Aung San Suu Kyi hatte zunächst keine Stellung bezogen zu den Vorwürfen, dass Menschrechtsverletzungen an den Rohingya begangen würden. Für sie ist der Konflikt ein großes Dilemma: Ergreift sie Partei für die Rohingya, verprellt sie ihre burmesischen Anhänger. Schweigt sie, verliert sie ihre Glaubwürdigkeit als Menschenrechtlerin auf internationaler Ebene. Im Mai 2013 sprach die 68-Jährige sich erstmals gegen die angestrebte Regelung einer Zwei-Kind-Politik für Rohingya aus.

In Yangon sieht man mittlerweile nicht mehr so viele 969-Aufkleber wie in anderen Städten; auch die Straßensperren, die manche muslimische Stadtviertel voneinander trennten, sind abgebaut. Für ausländische Investoren und Touristen wirft es kein gutes Licht auf Myanmar, wenn der Konflikt zu öffentlich, zu sichtbar ist. Eine von den vielen, bis vor kurzem, noch immer gesperrten Regionen Myanmars war der Rakhaing-Staat. Genehmigungen, um dorthin zu reisen, waren kaum zu bekommen: Internationale Berichterstatter wurden nicht gerne gesehen. „Wenn ein Rohingya mit einem Ausländer in Rakhaing redet, kann er ins Gefängnis kommen“, beschreibt Alima die Situation.

Es war 2012, als Alima gerade bei Freunden in Yangon zu Besuch war. Ihre Tochter konnte sie nicht begleiten: Sie hatten nicht genug Geld für zwei Reisegenehmigungen. Außerdem musste Suemaya zur Schule gehen, sie blieb deshalb bei ihrer Großmutter.

Alima wollte eigentlich nur kurz bleiben. Als im April die Unruhen ausbrachen, wurden sofort die Reisebeschränkungen verschärft. Rohingya mussten an dem Ort bleiben, an dem sie sich gerade befanden. Alima hörte von gezielten Übergriffen, auch in Yangon. Sie fühlte sich nicht mehr sicher. Zurückkehren in ihr Dorf konnte sie aber auch nicht. Aus Angst lieh sich Alima Geld für einen Schlepper und floh verzweifelt nach Thailand, zu ihrem Mann.

Illegal im Land

2012 sehen U Kyaw Thien und Alima sich zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder. Die Freude ist jedoch getrübt; zu groß ist die Sorge um ihre Tochter, die Alima zurücklassen musste. „Wir leben mit Angst in unserem Herzen“, sagt U Kyaw Thien. Zurückkehren dürfen sie nicht. Ihre Tochter mit Hilfe von Schleppern zu sich zu holen, können sie sich nicht leisten. Außerdem ist eine Flucht gefährlich.

Suemaya lebt nun bei ihrer Großmutter. „Sie muss jetzt ihren Schulabschluss machen, das ist das Wichtigste“, sagt Alima, wie um sich zu beruhigen. Manchmal hellt sich ihre Miene plötzlich auf. Wenn sie davon erzählt, dass ihre Tochter gerne in den Sportunterricht geht. Oder wie hübsch sie in einem Kleid aussieht. Aber schnell legt sich wieder eine Schwere über ihr Gesicht.

Alima brät vor der Tür noch schnell ein wenig Reis auf dem kleinen Gaskocher, für U Kyaw Thien. Langsam senkt sich die Sonne. Es wird Abend.

U Kyaw Thien zieht den Longyi aus und streift sich eine Jeans und eine Schürze mit thailändischer Schrift über. Mit dem Longyi würde er zu sehr auffallen, zu anders aussehen, womöglich als Immigrant aus Myanmar erkannt werden. U Kyaw Thien und Alima sind illegal im Land.

Wie viele Rohingya in Thailand leben, ist nur schwer zu ermitteln. 20.000 bis 30.000 zählt man in Aufnahmelagern. Diejenigen Rohingya, die wie U Kyaw Thien und Alima, die wie viele andere im Untergrund leben, sind nicht verzeichnet.

U Kyaw Thien rollt seinen Wagen, mit dem er die Rotis verkaufen wird, auf die Straße. Schon bald kommen die ersten Kunden und bestellen Roti mit Banane und süßer Milch. Alima steht neben ihm und hilft, wo sie kann. In ihren Gedanken ist sie bei ihrer Tochter.

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